Im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung hat das Schweizerische Bundesgericht am 27. November 2024 ein wegweisendes Urteil im Raumplanungsrecht gefällt:
Streitpunkt war die Frage nach einer Entschädigung in Millionenhöhe zulasten der Gemeinde Mellingen AG, weil diese die Auszonung eines Grundstücks im privaten Eigentum aus der Wohnbauzone angeordnet hatte. Die Betroffene machte vor dem Bundesgericht eine Enteignung de facto geltend.
Nach geltendem Recht sind Bauzonen so festzulegen, dass sie dem voraussichtlichen Bedarf für 15 Jahre entsprechen. Überdimensionierte Bauzonen sind zu reduzieren (vgl. Art. 15 RPG). Auszonungen sind schon länger möglich und zulässig. Nicht immer ist deswegen eine Entschädigung zu leisten; gegebenenfalls richtet sie sich nach den Grundsätzen über die materielle Enteignung. Gleichermassen ist im Übrigen zu verfahren, wenn Schutzmassnahmen (z.B. Biotope) zu einer Auszonung von bisherigem Bauland führen (vgl. dazu BGE 118 Ib 485 E. 3c).
Zu Unterscheiden ist dabei zwischen entschädigungspflichtiger Auszonung und entschädigungsloser Abzonung. Das Bundesgericht verlangt dazu jeweils eine Gesamtbetrachtung über die Frage, ob dem Betroffenen eine bestimmungsgemässe, wirtschaftlich sinnvolle und gute Nutzung erhalten bleibt. Eine grundsätzlich entschädigungspflichtige Auszonung wurde vom Bundesgericht angenommen, wenn ein Grundstück mit einem bundesrechtskonformen Nutzungsplan der Bauzone zugeteilt war und aufgrund einer Zonenplanrevision einer Nichtbauzone zugeteilt wird (BGE 131 II 728 E. 2.3 S. 732 m.H.). Klar ist hingegen, dass eine Nichteinzonung in eine Bauzone grundsätzlich keine Entschädigungspflicht auslöst.
Relevant sind im Einzelfall immer auch die faktische Möglichkeit und die subjektive Absicht, das Land zu überbauen. Im erwähnten Fall aus Mellingen soll es bereits daran gefehlt haben. Darüber hinaus haben die höchsten Richter im Land nun aber entschieden, dass Betroffene nur in Ausnahmefällen Schadenersatz erhalten, wenn ihr unbebautes Land aus der Bauzone ausgezont wird. Mit dieser Spitzkehre in der höchsten Rechtsprechung wächst der Druck auf Grundeigentümer, jedenfalls neu eingezonten Grund und Boden innerhalb einer bestimmten Frist – 15 Jahre können dabei als Richtwert aus dem Bundesgesetz über die Raumplanung verstanden werden – zu überbauen. Wer sein Land während mehr als 15 Jahren nicht überbaut hat, kann ausgezont werden und hat deswegen keinen Anspruch auf eine Entschädigung. Offen bleibt bis zur schriftlichen Urteilsbegründung, ob dies ebenso für Grundstücke gilt, welche schon seit Jahrzehnten eingezont, aber bis heute nicht überbaut worden sind.
Dem neuesten Entscheid kann m.E. durchaus hohe Bedeutung zugemessen werden und ist die Beachtung durch weitere Gemeinden, welche ihre Nutzungspläne aufgrund der RPG-Revisionen aktualisieren müssen, jedenfalls sicher. Mehr als früher erfährt das Planungs- und Baurecht politisch motivierte, regulierende Anpassungen und Revisionen, welche nicht selten in die Haltung und Gestaltung von Grundeigentum einwirken. Die laufenden Ortsplanungsrevisionen – so etwa aktuell in den Kantonen Luzern und Schwyz – bieten den Behörden eine ideale Gelegenheit, Zeitgeist und neueste Rechtsprechung in die revidierte Nutzungsplanung aufzunehmen.
Mit dem neuesten Urteil erspart die Judikative nicht allein der Gemeinde Mellingen, sondern vielen weiteren Gemeinwesen und damit der Allgemeinheit hohe Summen an Entschädigungszahlungen. Das Nachsehen haben jene Privatpersonen und Unternehmen, welche (zu) lange ihren wertvollen Grund und Boden nicht «zu Geld gemacht» haben.
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