Dienstbarkeiten «auf ewig»?

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Im Rahmen von Baueinsprachen machen Einsprecher nicht selten ein vermeintliches «Recht auf Aussicht» geltend. Dafür steht ihnen zwar keine öffentlich-rechtliche gesetzliche Grundlage zur Verfügung, aber eventuell eine (altrechtliche) Dienstbarkeit aus dem Zivilrecht. Was zu einem früheren Zeitpunkt einvernehmlich und nachvollziehbar vereinbart und im Grundbuch eingetragen wurde, kann Jahrzehnte später Fragezeichen aufwerfen und ein neues Bauprojekt sogar verhindern.

Der Gesetzgeber hat es offenbar unterlassen, Dienstbarkeiten, auch Servitute genannt, bezüglich Aussichtsschutz zeitlich zu begrenzen, oder wenigstens regelmässig auf ihren Sinn und Zweck überprüfen zu lassen, ob im konkreten Fall ein so genanntes «schützenswertes Interesse» noch zu bejahen ist oder nicht.

In der Gemeinde Vitznau LU gibt es etwa die Liegenschaft «Alte Post», auf welcher als Last und zugunsten eines anderen Grundstücks eine Höhenbeschränkung von 3.60 m eingetragen ist. Die Beschränkung wurde im Jahr 1892 im Grundbuch eingetragen und soll die Aussicht auf den See gewährleisten. Die Hotelanlage auf dem berechtigten Grundstück ist inzwischen abgerissen. An ihrer Stelle stehen Mehrfamilienhäuser, ohne dass sich an der Dienstbarkeit etwas geändert hätte. Mit Hinweis darauf erhoben ein paar Stockwerkeigentümer Einsprache gegen ein Bauprojekt, welches das baufällige Gebäude «Alte Post» ersetzen und einen Neubau mit einer Höhe von rund 5.20 m erstellen wollte. Der Gemeinderat Vitznau bewilligte das Bauprojekt im Juli 2024 und wies die Einsprache ab, weil es sich bei einem Servitut um eine zivilrechtliche Angelegenheit und nicht um einen baurechtlich relevanten Aspekt handle (vgl. zum Ganzen «Schweiz am Wochenende» vom 23.11.2024, S. 31).

Damit wird eine weitere Hürde zum Bauen ersichtlich: das Bauprojekt mag in öffentlich-rechtlicher Hinsicht Vorschriften des Planungs-, Bau- und Umweltrechts vollständig genügen, doch steht ihm vielleicht noch ein privates Recht im Weg, welches infolge Eintragung im Grundbuch auch viele Jahrzehnte überdauern kann. Sofern nicht ausdrücklich vorgesehen, gilt die Dienstbarkeit für die jeweils berechtigen Personen auf unbestimmte Zeit, mithin ohne «Ablaufdatum». In diesem Zusammenhang stellt sich die massgebliche Frage, wie lange ein bestimmtes Interesse als «schützenswert» qualifiziert werden darf und soll.

Unbefristete Rechte führen nach der hier vertretenen Auffassung faktisch zu einer Aushöhlung des Rechts auf Eigentum (Art. 26 BV) zum Nachteil des Eigentümers des jeweils belasteten Grundstücks. Dieser Umstand darf durchaus einer kritischen Prüfung unterzogen werden, erweisen sich doch solche «ewigen Rechte» im Zivilrecht als systemfremd. Im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (SR 210) gibt es nämlich kein solches ewiges Recht. So ist auch das Baurecht gemäss Art. 779 ff. ZGB zeitlich befristet. Das Baurecht kann als selbständiges Recht auf höchstens 100 Jahre begründet werden. Es kann zwar jederzeit in der für die Begründung vorgeschriebenen Form auf eine neue Dauer von höchstens 100 Jahren verlängert werden, doch ist eine zum Voraus eingegangene Verpflichtung dazu nicht verbindlich (Art. 779l ZGB).

Die Lösung muss so oder anders für jeden einzelnen Fall sorgfältig eruiert werden. Dazu empfehlen wir Ihnen eine anwaltliche oder notarielle Beratung über die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Dienstbarkeiten. Die Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen der Pilatushof AG werden Sie dabei gerne beraten.

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